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Wie man das Leben lernt


Ich habe diese Outdoor-Übung in den letzten Jahren sicher 30 Mal miterlebt, und jedes Mal kam etwas anderes dabei heraus: Flussüberquerung.

Natürlich kein echter Fluss. Ich habe keinen DLRG-Rettungsschein. Aber die Aufgabe bleibt dieselbe: Vier bis acht Teilnehmer-Teams sollen aus Brettern eine Brücke über einen imaginären Fluss schlagen. Das Spiel läuft ab wie das richtige Leben.

Am Anfang denken alle: Acht Teams? Und wir schaffen das am schnellsten! Es wird ein Wettkampf draus gemacht. Obwohl das keiner der begleitenden Trainer gesagt hat. Das ist schlicht nicht die Aufgabe. Aber sobald X Mannschaften auf dem Feld sind, denkt der arbeitende Mensch: Competition! Und legt los. Und jeder Teamführer hat die absolut einzig richtige Lösung für das Problem und schwört sein Team darauf ein. Das Team legt los.

20, 30, 40 Minuten. Dann merken die ersten: Haut nicht hin! Egal mit welcher Konstruktion auch immer, die Bretter reichen nicht über den Fluss. Meist dauert es nochmal zehn Minuten, bis die ersten erkennen: Die Bretter keines der Teams reichen aus. Es sei denn …

Ja. Völlig logisch. Aber: Nach 40 Minuten bemerken die Teilnehmer das. Erwachsene Menschen. Tadellos ausgebildet, hoch kompetent, äußerst intelligent. Und nach 40 Minuten erst klingelt’s: Kein Team schafft das allein. Nur gemeinsam. Kooperation schlägt Competition.

Soviel zum Thema Abteilungsegoismen und Firmen in der Firma. So geht das auch im wirklichen Berufsleben zu: Jede Abteilung für sich und Gott gegen alle.

Das räumen die Teilnehmenden bei der Nachbesprechung unumwunden ein: „Genau so geht es bei uns auch in der Firma zu! Wir konkurrieren, anstatt zusammenzuarbeiten. Jeder will besser sein als der andere. Jede Abteilung glaubt, die absolut beste Lösung gefunden zu haben. Und dann haut das wieder nicht hin.“ Die Abteilungen bekommen ihre Aufgaben, legen mit hohem Tempo los, kreieren Einzellösungen und stellen irgendwann fest: Die Bretter reichen nicht. Dann erst merkt jeder: Wir müssen zusammenarbeiten.

Bis zu dieser Einsicht gingen schon unheimlich viel Zeit, Budget, Energie und Nerven verloren. Könnte man nicht von Anfang an auf Kooperation setzen?

Könnte man. Indem nicht jeder Abteilungsfürst den Anspruch erhebt, die einzig absolut richtige Lösung gefunden zu haben. Indem sich alle erst mal zusammensetzen und eine gemeinsame Lösung ausknobeln, unter Mitarbeit der entsprechenden Fachexperten. Man sollte meinen, dass die verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens wie selbstverständlich zum Wohl des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und Kunden von vorne herein zusammenarbeiten. Sollte man meinen.

Tatsächlich ist in vielen Unternehmen das Gegenteil der Fall. Die „gesunde Konkurrenz“ unter den Abteilungen macht das ganze Unternehmen krank. Die Kunden schon lange. So kann man natürlich auch leben, arbeiten und wirtschaften. Muss man aber nicht.