Change

Rache ist keine Management-Technik


Immer schert eine(r) aus. Zum Beispiel: Meilenstein-Abnahme beim Kunden. Die vier Mitglieder des Kernteams haben vereinbart: Wir treffen uns eine halbe Stunde vor der Präsentation beim Kunden, um das Vorgehen abzusprechen. Es kommen nur drei zu der Vorab-Besprechung. Einer mailt: „Sorry, ich hab die Quartalszahlen noch nicht fertig. Treffen uns beim Kunden!“

Die andern drei sind mega-sauer: Es sind noch fünf Tage bis zum Stichtag für die aktuellen Quartalszahlen – das hätte er auch noch an einem anderen Tag erledigen können! Prompt sagt einer der sauren drei: „Das lasse ich ihm nicht durchgehen! So kann er uns nicht hängenlassen und nachher bei der Präsentation mangels Absprache blöd dazwischenfunken. Ich red gleich mal mit dem Chef, dass er ihn zusammenstaucht.“ Wie hättest du reagiert?

Ich finde es nicht in Ordnung, wenn man sich nicht an Vereinbarungen hält. Es ist nicht okay, wenn man das Team hängen lässt. Zumal aus fadenscheinigen Gründen. Ich finde es aber auch nicht okay, kurz vor einem entscheidenden Termin beim Kunden ein Fass aufzumachen, eine Grundsatzdiskussion vom Zaun zu brechen, zum Rachefeldzug zu blasen. Das hält nur auf, das bringt nichts. Es bringt vor allem das nicht, was in so einer Situation an oberster Stelle gefragt ist: Performance.

Der Kunde erwartet Leistung. Wie soll man die bringen, wenn man nur an die Rache am abtrünnigen Kollegen denken kann? Hinterher kann man sich den Abtrünnigen vornehmen. Vorher klärt man am besten überhaupt nichts. Man sorgt dafür, dass die Performance gerettet wird. Man denkt nicht an Rache, sondern an Leistung. Man denkt mit dem Kopf, nicht mit dem Bauch. Aber das ist typisch Mensch: Geraten wir in Stress, denkt unser Bauch.

Der Bauch denkt uns meist nur noch tiefer ins Problem. Er tendiert zur Problemdenke: Fight, Flight or Freeze. Kampf, Flucht oder Schreckstarre. Wer so denkt, denkt im Problem. Schlauer ist es, in Lösungen zu denken. In Optionen. In Chancen, in verbliebenen Freiheitsgraden, in konkreten Maßnahmen. In „Das Beste draus machen“ – und nicht auf Rache zu sinnen. Die Stressreaktion ist angeboren.

Die Lösungsreaktion ist angelernt. Wenn man sie gelernt hat. Kampfpiloten, Special Forces und andere Hochstress-Spezialisten trainieren das jeden Tag mit höchster Intensität: Bei Stress nicht tiefer ins Problem rutschen, sondern automatisch auf Lösungsdenke umschalten. If in a hole – stop digging! Dass ausgerechnet Managerinnen und Manager in ihren Hochstress-Jobs das nicht lernen, nicht trainieren, nicht täglich üben, will mir nicht in den Kopf. Sie geraten in Stress, sie verlieren die Nerven. Und wer die Nerven verliert, verliert.