Viele Unternehmen digitalisieren. Gut. Sie fordern ihre Mitarbeitenden auf, in Digitalisierungsprojekten mitzumachen. Gut. Viele wollen das nicht. Nicht gut.
Viele können das gar nicht. Noch weniger gut. Die Geschäftsleitung sagt: „Wir digitalisieren! Also lasst euch viele neue Produkte und Services einfallen. Ihr seid jetzt keine einfachen Mitarbeiter mehr, sondern wir befördern euch zu Entrepreneuren!“ Das sagt die Geschäftsleitung und erwartet den Jubel der befreiten Massen. Never happens.
Überraschung: 80 bis 90 Prozent der Belegschaft sagen: „Wir sind Angestellte/Arbeiter. Wir sind keine Entrepreneure. Wenn wir Unternehmer hätten sein wollen, hätten wir uns selbstständig gemacht. Wir hätten selber ein Startup gegründet. Haben wir aber nicht. Weil wir das nicht wollen.“ Das ist ein Rollenkonflikt.
Die Geschäftsleitung erwartet ein anderes Rollenverständnis von ihrer Belegschaft als die Mitarbeitenden sich selber gegeben haben. Und jetzt? Was tun? Viele Geschäftsleitungen machen Druck. Die Belegschaft sagt: „Bei viel Druck kommt nicht immer ein Diamant raus!“ Rollenverständnis lässt sich ungefähr so leicht ändern wie Fingerabdrücke. In der Regel geht ein Mensch nicht von seiner Rollenwahl ab, weil Rolle = Identität. Und wer gibt schon gerne seine Identität auf? Nicht mal jene, die das fordern. Also was tun, wenn die Leute partout keine Entrepreneure werden wollen?
Wenn es viele nicht werden wollen, dann nimmt man einfach jene wenigen, die es bereits sind. Es sind nicht viele, aber es sind genug. In (fast) jedem Unternehmen. Wo stecken eure Entrepreneure? Es gibt sie. Man braucht lediglich Initiativen und Projekte, zu denen sie sich melden und bei denen sie sich einbringen können. Außerdem braucht das Unternehmen genügend Flexibilität, damit die Entrepreneure auch entreprenieren können. Oder wie es eine Managerin ausdrückte: „Versuch nicht, die Unbegeisterbaren zu begeistern. Hol dir lieber welche, die schon begeistert sind.“ Man muss sie noch nicht einmal holen.
Sie kommen von alleine, wenn man Initiativen startet – und Räumlichkeiten dafür zur Verfügung stellt. Arbeitsmittel, Infrastruktur, Budget, Zeit und Ruhe vor dem Diktat des Dringlichen. Das klappt nicht überall.
Viele Unternehmen versuchen dafür erst die große Reorganisation und gründen neue Organisationseinheiten. Sie verzetteln sich dabei derart im organisatorischen Aufwand, dass ihre gesamte Energie dabei draufgeht, diese neuen Organisationseinheiten zum Laufen zu bringen – anstatt dass man digital innoviert.
Deshalb fahren jene Unternehmen besser, die keine neuen Strukturen einrichten, sondern einfach zu ihren Entrepreneuren sagen: „Ihr lauft weiter auf eure bisherige Stammkostenstelle, aber ihr macht die nächsten sechs Monate hauptsächlich in digital.“ Wenn ein Unternehmen so flexibel ist, klappt das auch mit der Digitalisierung. Damit reißt man aber ein Loch in die Linie?
Nein. Das verhindert das Gesetz der großen Zahl: Sobald genügend Leute in einem Unternehmen, einer Organisationseinheit vorhanden sind, kann man das Fehlen eines Mitarbeitenden über die Arbeitsverteilung ausgleichen. Dann fehlt halt ein Kollege und die andern übernehmen – und sind froh, dass sie nicht die Entrepreneur-Mütze aufsetzen müssen.
Außerdem kann man ja auch für ein halbes Jahr eine Aushilfe, drei Praktikanten oder einen Leiharbeiter engagieren. Das geht auch. Das geht überhaupt alles. Wenn man weiß, wie’s geht.