Change

Wer regiert uns eigentlich?


Eben kam in den Nachrichten: Der Bundestag streitet. Er streitet, wer neben wem sitzen darf. Die FDP will nicht neben der AfD sitzen. Ich erinnere mich: So war das bei mir in der ersten Klasse. Was für ein Drama! Beste Freundin wollte neben bester Freundin sitzen, der eine Schüler partout nicht neben dem andern – und dann ging das Gezanke der Sechs- bis Siebenjährigen los. Wir können also nicht behaupten, dass es im Deutschen Bundestag zugeht wie im Kindergarten, weil die Sitzordnung erst in der ersten Klasse eine Rolle spielt. Trotzdem möchte jeder vernünftige Mensch denen zurufen: Hört doch auf mit diesem Kinderkram! Haben wir keine drängenderen Themen?

Andererseits bin ich ja froh, dass wir keine wichtigeren Probleme haben als wer wo sitzt. Dann können wir uns ja alle entspannt in die Ecke legen. Und das kostet alles unser Geld, dieser Kinderkram. Geld, für das wir hart arbeiten müssen. Und die in Berlin fragen sich, woher die Politikverdrossenheit kommt? Ich vermute: Die fragen sich das eben nicht. Die fragen sich, wer neben wem sitzen darf und wer wen lieb hat und beste Freundin ist. Gut, dass die im Bundestag sitzen. Stell dir vor, sowas sitzt in deiner Abteilung oder deinem Projekt! Grand malheur!

Jetzt diskutieren sie, wie sie eine Koalition bilden sollen. Da sagt dann ein Politiker im Radio: „Das wird schwierig. Mit der … (bestimmte Partei) bekommen wir keinen Konsens zu unserem Parteiprogramm!“ Du sollst keinen Konsens für deine Partei erstreiten, sondern für uns, das Volk! Für deine Wähler, die dich gewählt haben. Wir haben dich gewählt – nicht deine Partei. Keine vierWochen ist die Wahl vorbei und der hat schon vergessen, wer ihn gewählt hat. Wahrscheinlich hatte Bert Brecht recht: Wenn das Volk gar zu unzufrieden mit der Regierung ist, sollte sich die Regierung vielleicht bei der nächsten Wahl ein anderes Volk wählen. Dieses Volk jedenfalls hat den Kinderkram satt – und das quer über alle Parteien.

Geht es in der Politik denn gar nicht mehr um Sachprobleme? Um die nun schon jahrelang anhaltende illegale Enteignung der Sparer? Das bundesweite Floppen der Inklusion? Die Altersarmut? Das Kippen der Sozialsysteme? Fachkräftemangel? Dass in vielen Krankenhäusern auf dem flachen Lande nur noch der Chefarzt Deutsch spricht und man als Patient mindestens fünf andere Sprachen sprechen sollte, wenn man realistische Aussicht auf eine fachgerechte Behandlung, die man versteht, haben möchte? Und was ist mit unseren Autobahnen? Den maroden Brücken? Der LKW-Schwemme auf den Straßen? Wo ist die Infrastruktur für die E-Autos, die die Politik fordert? Müssen wir denn alles selber machen? Ich fürchte: ja.

So einfach ist das. Lasst ihr euch wählen. Wir machen die Arbeit. Jedenfalls besser als anders herum.