Die großen Vorhaben unseres Lebens! Gesünder essen, mehr bewegen, mehr und bessere Zeit mit der Familie, Reorganisation in der Firma, Projekte in der digitalen Transformation – kennen wir?
Kennen wir alle und was wird draus? Manche Themen sind so groß, dass man sie lieber erst gar nicht anfängt. Man schiebt sie vor sich her. Man hat ein schlechtes Gewissen, weshalb man sie nur noch weiter vor sich herschiebt. Und mit jedem verstreichenden Tag, jedem Jahr sehen wir: Oh wie schade! Das erledigt sich offensichtlich nicht von alleine. Warum nicht?
Weil wir viel zu gerne denken: Die ganze Firma, die komplette Abteilung, das ganze Business-Model umkrempeln! Den großen Wurf wagen! Das ganz große Rad drehen, das Mega-Projekt, die Superlösung initiieren, die alles ein für alle Mal löst und erledigt. Auf einen Schlag. Das ist dämlich, aber wir können nix dafür.
Diese kognitive Verzerrung, diesen unreflektierten Megalomanie-Bias haben wir mit dem Genmaterial geerbt. Wer wirklich mal wissenschaftlich, evidenz- und erfahrungsbasiert erfolgreiche Vorhaben, gelungene Projekte, erfüllte Veränderungswünsche oder die digitale Transformation anschaut, stellt schnell fest: Small is success.
Kleine Schritte führen zum Erfolg – eben weil große Schritte meist nicht gemacht werden, weil sie schlicht zu groß sind. Fünf Kilo abnehmen, nachdem du es erfolglos seit drei Jahren versuchst? Wie wäre es stattdessen, wenn du auch nur an einem einzigen Tag der Woche die Nascherei oder bei einem einzigen Mittagessen das Dessert sausen lassen würdest? Ein kleiner Schritt. Der bringt jedoch garantiert mehr als ein weiteres Jahr erfolglos von fünf Kilo weniger zu träumen. Große Schritte sind zu groß.
Vor allem, wenn sie schiefgehen und man es vor lauter Frust dann gleich ganz bleiben lässt („Hab ich doch von vornerein gewusst, dass das nicht klappt!“). Kleine Schritte tragen so ein Riesenrisiko nicht. Wenn sie schiefgehen, ist das nicht schlimm. Im Gegenteil: Je kleiner der Schritt, desto kleiner das Versagens-, Frust- und Floprisiko. Ich wollte vor zwei Jahren „regelmäßig längere Strecken joggen“. Das war Unfug.
Niemand sitzt heute zehn Stunden im Büro, kauft sich am Abend Laufschuhe und rennt ab dem folgenden Tag „regelmäßig längere Strecken“. Ich kam genau drei Kilometer weit. Dann lag ich mit Schnappatmung auf dem Feldweg. Typisch großer Wurf! Alles und alles auf einmal. Am Boden liegend erinnerte mich an die kleinen Schritte, trabte heim zum Duschen und versuchte es anderntags ganz klein.
Ich lief nur so lange, bis wieder die Schnappatmung drohte und machte dann Gehpause. Beim nächsten Mal kam ich schon ein wenig weiter – und so fort. Nach neun Monaten lief ich Halbmarathon-Distanz. Wir alle müssen uns ändern.
Wir alle haben große Herausforderungen, mächtige Aufgaben: berufliche Neuorientierung, nächster Karriereschritt, bessere Fitness, ein zufriedeneres Leben, digitale Transformation … Das ist alles gut und nötig und zum Scheitern verurteilt, wenn wir die Melone am Stück essen wollen. Das schluckt keiner. Die eigentliche Aufgabe besteht nicht im Change, im Vorhaben, im Projekt, sondern in der Atomisierung desselben in möglichst viele, möglichst einfache Schritte, Teilaufgaben, Elemente. Manche atomisieren allein im stillen Kämmerlein, andere lassen sich dabei helfen; zum Beispiel von mir im Coaching.
Mach also nicht irgendwas. Mach auch nicht das Naheliegende, Erforderliche oder Nötige, sondern das Kleinstmögliche. Als ersten Schritt. Viele fragen: Was ist der erste Schritt? Klüger ist die Frage: Was ist der Schritt, der so klein ist, dass ich auch wirklich garantiert damit anfange und es nicht immer weiter vor mir herschiebe? Der erste Schritt kann nicht klein genug sein. Veränderung floppt oder verzögert sich nicht, weil wir zu klein anfangen, sondern weil wir uns tendenziell übernehmen. Hundert kleine Schritte sind besser als nie loszulaufen. Oder sich beim ersten Sieben-Meilen-Schritt gleich auf die Nase zu legen oder in Komplikationen der Überkomplexität zu verstricken und dann keinen Bock mehr zu haben.
Ein weiterer Aspekt kleiner Schritte: der innere Schweinehund. Bei großen Schritten ist er groß. Wir sehen die Riesenaufgabe und zaudern: „Ich komm nicht aus meiner Komfortzone raus!“ Weil ich bei Riesenaufgaben automatisch das Riesenrisiko des Scheiterns sehe. Oder den Riesenaufwand. Das hält mich in der Comfort Zone fest. Bei kleinen Schritten ist der innere Schweinehund ganz klein. Niedlich. Und zahm. Wir schauen nicht aufs Risiko, sondern auf das, was wir mit dem kleinen Schritt gewinnen können – und laufen los.
Und noch ein Vorteil: Wer große Schritte macht, wird blind. Blind für die vielen schönen neuen Möglichkeiten. Weil man einfach viel zu sehr beschäftigt ist mit dem großen Schritt, um links und rechts zu schauen. Wer kleine Schritte macht, kann jederzeit die Blumen am Wegesrand entdecken und Chancen und Optionen mitnehmen, die ihm dabei übern Weg laufen.
Und schließlich: Bei kleinen Schritten kann ich Tempo und Energieaufwand besser steuern als beim einen großen Schritt. Das alles wissen wir. Eigentlich. Warum machen wir es dann so selten?
Weil wir auf die Aufgabe hören. Also auf das, was von außen kommt. Unser Bauch sagt schon lange: Hee, mal langsam, du übernimmst dich doch.
Hör auf deinen Bauch.